Waren alle Deutschen schuldig?
Zunächst waren und sind diejenigen schuldig, die die Verbrechen des Nationalsozialismus angeordnet und durchgeführt haben. Hitler hatte viele Helfer und Unterstützer.
Doch wie ist es mit denen, die zwar nicht selbst gemordet haben, die es aber zugelassen haben, dass so etwas passiert? Kann man also auch durch Nichtstun schuldig werden? Viele Deutsche haben Hitler nicht nur zugejubelt, sie waren der festen Überzeugung, dass das was Hitler tat richtig und notwendig war.
Viele waren Mitglied in der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiter Partei (NSDAP). Viele haben von den Verfolgungen der Juden und anderer Gruppen gewusst. Es gab eine gemeinsame Verantwortung für das, was geschehen war. So sahen es die Menschen im Ausland. Doch nur die wenigsten Deutschen fühlten sich als Täter.
Nur ein kleiner Teil derer die Verbrechen begangen hatten, wurde vor Gericht gestellt. Und ein noch kleinerer Teil wurde verurteilt. So wurden bis Ende 2005 in der Bundesrepublik Deutschland, wie der Forscher Andreas Eichmiller ermittelt hat, 16.760 Täter angeklagt und davon 6.656 verurteilt.
Viele Angeklagte beriefen sich darauf, nur Befehle ausgeführt und Gesetze befolgt zu haben und deshalb an den Verbrechen unschuldig zu sein. Doch die Richter der Nürnberger Kriegsverbrecherprozesse machten deutlich, dass jeder Mensch für das was er tut, auch selbst verantwortlich ist. Niemand könne sich darauf berufen, nur Befehle ausgeführt zu haben.
Wie kann man verhindern, dass so etwas wieder geschieht?
Will man Diktatur und Unmenschlichkeit verhindern, sind drei Dringe notwendig: der Gewalt entgegen treten, Ausgrenzung verhindern und Demokratie verwirklichen.
Gewalt kommt auch heute in vielfältiger Form vor: In der Familie, in der Schule und in der Öffentlichkeit. Auf Gewalt aufmerksam zu machen, und sie klar zu verurteilen ist wichtig. Wichtig ist aber auch selbst keine Gewalt anzuwenden.
Kein Mensch darf wegen seines Aussehens, seiner Meinungen, seines Glaubens oder eines anderen Grundes ausgegrenzt oder verfolgt werden. Dies ist im Kleinen z.B. in der Schule ebenso wichtig wie in der gesamten Gesellschaft. Und wenn Ausgrenzung trotzdem geschieht, gilt es sich sofort dagegen zu wehren.
Demokratie verwirklichen heißt, dass alle Menschen über Dinge, die sie betreffen, mitentscheiden können müssen. Es darf keine Führer, also Diktatoren geben, die alleine bestimmen. Diese Teilnahme an Entscheidungen muss in der Familie beginnen und reicht über die Schule und Arbeitswelt in die gesamte Gesellschaft.
Sollte man eine Gedenkstätte besuchen?
Manche meinen, der Besuch von Gedenkstätten sei nicht so wichtig, da man dort für die heutige Zeit nichts lernen könne. Wir meinen, das ist falsch. Man kann dort sehr viel lernen. Man kann erfahren, was in der deutschen Geschichte geschehen ist. Man kann sich informieren und ein Bild über diese Zeit machen. Und man kann lernen, was zu diesen Entwicklungen beigetragen hat.
Jede Schülerin und jeder Schüler sollte deshalb während ihrer/seiner Schulzeit eine Gedenkstätte für die Opfer des Nationalsozialismus oder ein Dokumentationszentrum besucht haben.
In jeder Gemeinde und nahezu jeder Kirche finden sich Gedenktafeln für die gefallenen deutschen Soldaten des Zweiten Weltkrieges. Man kann dort lesen, wie jung diese Männer noch waren. Aber dies reicht nicht aus. Es bedarf auch der Gedenktafeln und Gedenkorte für die Millionen Opfer der Gewaltverbrechen der NS-Zeit.
In Gedenkstätten findet man aber mehr als nur Hinweistafeln. Hier sieht man zum Beispiel, wie die Lagerinsassen leben mussten, wie ihr Tagesablauf war, wie sie gequält wurden und wie sie ermordet wurden. Dies ist oft nur schwer auszuhalten. Und dennoch ist es wichtig zu sehen, wozu unsere Großeltern und Ur-Großeltern als "ganz normale Menschen" fähig waren.
Kann man heute noch Spuren finden?
Auch heute noch sind die Spuren der Hitlerzeit und des Zweiten Weltkrieges nahezu überall zu finden. Auf jedem Friedhof und in vielen Kirchen findet man Gedenktafeln an die getöteten Soldaten, die immer noch oft als "Helden" bezeichnet werden. Nur selten findet man jedoch Erinnerungen an die im Nationalsozialismus ermordeten Menschen.
Es gibt Straßennamen, die an diese Zeit erinnern. Gebäude, wie z.B. Bunker und Gräberfelder von Kriegsgefangenen. Nahezu wöchentlich werden auch heute noch bei Baumaßnahmen nicht explodierte Fliegerbomben aus dem Zweiten Weltkrieg entdeckt.
Auch nach den Spuren der jüdischen Bevölkerung kann man suchen. Wo haben die jüdischen Mitbürgerinnen und Mitbürger gewohnt. Was ist aus ihnen geworden? Wo gab es Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter? Wie war ihr Schicksal?
In jeder Familie gibt es noch Erinnerungen der Großväter und Großmütter. Oft sind auch noch alte Fotos, Briefe oder Gegenstände in einer Kiste verwahrt, die ihre eigene Geschichte erzählen.